Politik als Teil der Lösung. Nicht als Teil des Problems.

Im September war ich bei einem Vortrag, bei dem es um eins meiner "Leib- und Magenthemen" - Abfallvermeidung - ging. Ein Mitarbeiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) stellte die Situation in München vor. Großer Diskussionspunkt: Braucht München die gelbe Tonne? Derzeit wird der Plastikmüll in München in den sog. Wertstoffinseln gesammelt. D.h. Münchner Bürgerinnen und Bürger müssen den Plastikabfall sammeln und diesen dann in einigen hundert Meter Entfernung bei diesen Sammelstellen in Container werfen. Dort stehen auch entsprechende Container für Altglas. Und oft noch ein Container für Kleiderspenden. Wir diskutierten die Vor- und Nachteile zwischen diesen Wertstoffinseln, der gelben Tonne und dem gelben Sack. Bspw. nehmen viele Menschen den Weg zu einer solchen Werstoffinsel nicht auf sich und entsorgen Plastikabfall im Restmüll. Wertvolle Ressourcen gehen so verloren. Würde da eine Gelbe Tonne nicht Abhilfe schaffen, weil man es den Leuten damit bequemer macht? Und die Chance auf sortenreinen, und damit besser verwertbaren Abfall steigt?

Doch dann sagte der Mitarbeiter einen ganz entscheidenden Satz:

 

"Es gibt 3 Schritte in der Abfallwirtschaft: Das Sammelsystem (also zum Beispiel ein Holsystem wie die Gelbe Tonne oder ein Bringsystem wie die Wertstoffinsel). Die Verarbeitung des Abfalls (bspw. Recycling). Und die Abnahme des verarbeiteten Abfalls. Und beim dritten Punkt liegt derzeit das Problem bei recycelten Kunststoffen: Es gibt derzeit gar keine Abnehmer."

 

Ich horchte auf. Wir redeten also die ganze Zeit über Schritt 1 (wie sammeln wir den Müll), ohne Punkt 3 (wer nimmt den gesammelten Müll ab) geklärt zu haben. Es ist zu diesem Zeitpunkt also herzlich egal, wie wir den Müll sammeln, wenn gar keine ordentliche Verwertung erfolgen kann. Was für eine Debatte! Wir doktern hier willkürlich an einzelnen Stellschrauben herum. Dabei existiert gar kein in sich rundes System. Genau darum sollte sich die Debatte aber drehen: Um ein funktionierendes System von A bis Z. Dieses gilt es zu entwerfen. Und vielleicht kommen darin gar keine Tonnen oder Inseln mehr vor.

 

Szenenwechsel.

 

Ende Oktober war ich dann mal wieder Gast beim Runden Tisch zum Thema Abfallvermeidung im Bayerischen Umweltministerium. Ein proppenvoller Raum. Voller Expertinnen und Experten. Rund um dieses eine Thema. Verschiedene Vertreter*innen von Organisationen gaben zu Beginn ein Statement ab, wie bspw. die Verbraucherzentrale oder der Bundesverband der Systemgastronomie. Im Anschluss wurde munter diskutiert. Dabei wurde, wie bereits bei den Statements, insbesondere auf Probleme, Hürden und die Komplexität des Themas eingegangen. Und ich sage es Euch: Dieses Thema ist wirklich sehr komplex. Ich will Euch nicht mit Details langweilen, aber nur so viel: An Verpackungen sind so viele verschiedene Akteure (Produzenten, Einzelhandel, Verbraucher, Recycler und Abfallverwerter, ...) mit sehr verschiedenen Interessen (Kosten, Frische, Haltbarkeit, Logistik, Marketing, Recyclingfähigkeit, ...) zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lebenszyklus einer Verpackung (Produktion, Transport, Lagerung, Verwertung, ...) beteiligt. Es ist wirklich komplex. Ich will das absolut nicht kleinreden und erkenne das auch als Umweltaktivistin absolut an, dass die Dinge leider Gottes nicht so simpel sind, wie ich es mir wünsche.

 

In epischer Breite wurden also die Probleme, Hürden und die komplexen Vorgänge bei dem Thema dargelegt. Auch das finde ich noch absolut in Ordnung, denn ich sollte schon zuerst die Probleme kennen, bevor ich mich an die Lösung mache. Eine gute Voraussetzung. Doch bei dieser Problembeschreibung blieb es und es lag in der Luft, dass die Veranstaltung nun dem Ende zuging. Ich konnte es nicht fassen! Wir trafen uns also - zum wiederholten Male! - zur Problembeschreibung? Aus meiner unternehmerischen Perspektive erschien es mir zusätzlich unverständlich, dass sich bspw. ein Leiter einer Papierfabrik außerhalb Münchens für so einen - im wahrsten Sinne des Wortes - unproduktiven Termin Zeit nahm und nicht vollkommen frustriert war.

 

Ich meldete mich. Und unterbreitete der Runde einen Vorschlag: In diesem Raum waren so viele kompetente Menschen versammelt. Wer wenn nicht wir, könnte gemeinsam das Problem bei den Hörnern packen und gemeinsam Lösungen entwickeln. Und zwar endlich mal Lösungen, die nicht nur einen Bereich (Coffee to go Becher) oder einen Akteur (Pfandsystem als Angebot an die Verbraucher) oder einen Zeitpunkt (Verkauf) im Blick haben. Sondern Lösungen aus einem Guss. In dem wir den gesamten Lebenszyklus, von der Wiege bis zur Bahre, in den Blick nehmen. "Wie wäre es, wenn wir uns beim nächsten Mal zu einem Workshop treffen und gemeinsam an den Lösungen arbeiten würden?"

 

Ich blickte in große, meist verständnislose Augen. Die Sitzungsleitung erbat Rückmeldung zu dem Vorschlag. Großes Schweigen. Es blieb also beim Probleme austauschen. [Kurzer Einschub: Nach der Veranstaltung kamen einige aus der Umweltszene auf mich zu: "Super Vorschlag!" Freut mich. Aber, Ihr Lieben: Diese Unterstützung braucht es in der großen Runde, damit da ein bisschen Drive entsteht und wir einen Punkt setzen. Wir müssen unsere Interessen und Wünsche laut artikulieren. Sie zu denken reicht nicht aus!]

 

Auf was ich aber vor allem hinaus möchte in diesem Beitrag: Diese Politischen Prozesse sind zum Scheitern verurteilt. Was soll denn dabei rauskommen? Mit Misstrauen und Argwohn würde ich sagen: Dahinter steckt System, denn genauso erstickt man Debatten, lässt alles langsam abtropfen und man hat das Thema von der politischen Agenda genommen.

 

Mit ein wenig Optimismus, Idealismus oder zumindest Nüchternheit sage ich: Politik und Verwaltung  brauchen dringend ein Update in Sachen zielführendes Methodentraining. Und wir als Gesellschaft sollten nochmal gut darüber nachdenken, was denn unsere eigentlichen Ziele sind. Geht es denn wirklich nur darum, die eigenen Ziele und Interessen durchzusetzen? Ich kenne das Instrumentarium, wie man eine Debatte befeuert oder von der Agenda nimmt. Wie ich das Ding framen muss. Und so weiter. Aber...ernsthaft? Wollen wir das Ding nicht lieber lösen? Und zwar so, dass es einfach der Sache dienlich ist. Dass alle gut mit der ausgehandelten Lösung, dem Kompromiss leben können, weil es einfach Sinn macht. Will ich mich wirklich einfach nur durchsetzen? Ist das das Ziel? Ich meine nein und wünsche mir da von allen Beteiligten den entsprechenden Beitrag.

 

Genau das (Probleme lösen) begreife ich übrigens unter Social Entrepreneurship und sehe hierin einer der großen gesellschaftlichen Aufgaben des Sektors. 


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