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Politik und Verwaltung als eigenständige Akteure

Immer wieder wird mir die Frage gestellt, inwieweit denn auch die Verwaltung eine Rolle im Lobbying-Prozess spielt? Eine große Rolle! Inwiefern die Verwaltung ein eigenständiger Akteur ist und warum das für uns bedeutsam in der Lobbyarbeit ist, darum geht es in diesem Artikel.

Die Rolle der Verwaltung

Die Verwaltung ist in der Theorie überparteilich und neutral und für die Organisation der täglichen Abläufe zuständig. Im Gegensatz zur Politik gibt es hier deutlich weniger Wechsel und so steckt in der Verwaltung eine über Jahre hinweg aufgebaute Sachkompetenz, auf die die Politik angewiesen ist. Die Verwaltung bereitet Gesetze vor und kümmert sich nach dem Beschluss des Parlaments dann um die Umsetzung der Gesetze. So ist die Verwaltung auch ein wertvoller Ratgeber für die Politik. Hierfür braucht es aber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung. Ist dies gegeben, so kann die Verwaltung für Euch ein wichtiger Türöffner sein. Gewinnt Ihr den Menschen in der Verwaltung für Euer Anliegen, kann dieser mit einem ganz anderen Einfluss an die politischen Entscheidungsträger*innen herantreten.

 

In der Praxis sind übrigens auch viele in der Verwaltung Mitglied einer Partei. Oftmals handelt es sich eher um passive Mitglieder, die in keinen Gewissenskonflikt kommen wollen. Aber Ihr könnt davon ausgehen, dass es in der Verwaltung sehr viel (partei-)politischer zugeht, als es die Theorie sagt. Solche Informationen können wichtig sein, denn sie sagen viel darüber aus, ob die Verwaltung mit ihrem Obersten Dienstherr - der Politik - wohl eher an einem Strang zieht oder nicht. Für Euch kann es genauso ungut sein, wenn Ihr die Politiker*innen von Eurem Anliegen überzeugt habt, aber die Verwaltung steht damit auf Kriegsfuß. Schließlich gibt es wie immer auch dort Spielräume. Und so können Vorgaben der Politik verschleppt, in die Länge gezogen oder blockiert werden. Keine gute Konstellation für Euch. Für genau solche Informationen macht man übrigens ein Monitoring.

 

Die Abläufe in der Verwaltung sind stark formalisiert. Auch diese Strukturen müsst Ihr ggf. für Eure Lobbyarbeit kennen. Die einzelnen Abteilungen sind häufig unterschiedlich stark ausgestattet (bspw. personell). Sie haben so unterschiedlich starkes Gewicht. Klassisches Beispiel sind das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium. Dies findet sich praktisch auf allen politischen Ebenen wieder. Und so kann es wieder stark von einzelnen Individuen abhängen, wie stark und konsequent ein bestimmtes Thema verfolgt oder verhindert wird. Alles in allem kann die Verwaltung also durchaus sehr viel Macht im Gesetzgebungsprozess erlangen.

 

Übrigens: Die Verwaltung ist gerne mit dem Vorurteil des "typischen Beamten" belastet. Dieser macht Dienst nach Vorschrift und möchte sich möglichst die Arbeit vom Hals halten. Alles ist irgendwie ein bisschen träge und für Innovationen von Außen sind sie nicht gerade offen. Jeder von uns hatte vermutlich in seinem Leben bereits mal Kontakt zu einem solchen "Exemplar". Ganz gewiss: Diese Sorte Verwaltungsmitarbeiter*innen gibt es. Und ganz ehrlich: Bei denen gibt es für uns nicht viel zu holen, als Kooperationspartner sind sie wahrlich ungeeignet. Die gute Nachricht lautet: Es gibt aber auch sehr viele engagierte Leute, die ebenso viel Elan für die Sache und ihren Job verspüren wie wir. Ich habe selbst schon häufig erlebt, dass viele Projekt von Leuten aus der Verwaltung mit ganz viel Power und Leidenschaft vorangetrieben werden. Genau diese Leute sind für uns natürlich Gold wert. Und die müssen wir finden. Sie zehren übrigens sehr davon, wenn wir ihnen Wertschätzung entgegenbringen und ein bisschen bauchpinseln. Sie sind im Gegensatz zu den Politiker*innen in der Regel etwas unsichtbar und kriegen selten direkte Rückmeldung.

Politik ist Oberster Dienstherr der Verwaltung

Parteien - und damit auch die gewählten Abgeordneten in den Fraktionen - vertreten eher die Interessen ihrer Wählerschichten. Der große Unterschied zur Verwaltung ist, dass in der Politik die allgemein verbindlichen Entscheidungen getroffen werden, die dann von der Verwaltung umgesetzt werden. Die Politik macht also Vorgaben und entscheidet zwischen alternativen Lösungsmodellen. Die Politik muss aber - siehe oben - ggf. auch die Verwaltung in die Spur bringen und Machtkämpfe ausfechten. Unsere Aufgabe als Lobbyisten ist es also, für ein gutes Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung zu sorgen.

 

Politiker*innen sind auf Euch als Multiplikator*innen angewiesen, so dass sie ihre Aktivitäten der Öffentlichkeit vorstellen können. Das solltet Ihr also in Eure strategischen Überlegungen miteinbeziehen und ihnen hin und wieder mal eine Plattform geben, bspw. in Form von öffentlichen Veranstaltungen.

Probieren geht über studieren

Praktisch gesehen ist die Trennung zwischen Politik und Verwaltung häufig nur theoretisch. Die Handlungen müssen ineinandergreifen, beide Seiten sind auf ein kooperatives Miteinander angewiesen. Formelle Prozesse bestimmen hier viele Abläufe. Und wie immer gilt: Wir haben es mit Menschen zu tun. Daher lohnt es sich, diese Menschen kennenzulernen und so zu begreifen, wer gut miteinander kann, wo es Eifersüchteleien oder Kompetenzkämpfe gibt. Das erfährt man aus keinem Blogbeitrag, Buch oder Organigramm. Da müsst Ihr Euch selbst hineinstürzen und es herausfinden. Nur so könnt Ihr die verschiedenen Charaktere kennenlernen und die Dynamik in den verschiedenen Konstellationen einschätzen lernen.


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